log book

Neuigkeiten aus dem Nirgendwo

Neuigkeiten aus dem Nirgendwo

Der Anfang vom Ende begann an dem Tag als Erins Hinterradnabe mitten in der Kasachischen Steppe ihr eigenes Kugellager zu Metallmehl zerrieb. Kurz zuvor parallelisierten wir noch glücklich mit den Kamelen. Ich stellte mir vor, so wäre es mit Delfinen zu schwimmen.

Vielleicht begann es auch mit dem Selfie eines Idioten der dazu in Seki, im Kaukasus, derart tölpelhaft auf Erins Velo stieg, dass er prompt eine Speiche abknickte und damit die ganze Radnabengeschichte mit einiger Verzögerung, nach der Überquerung des Kaspischen Meeres, überhaupt erst ausgelöst hatte.

Oder begann es mit dem usbekischen Taxifahrer der unsere lädierten Fahrräder als Geiseln nehmen wollte, weil wir nicht genug Geld hatten um ihn auf der Stelle zu bezahlen? Worauf sich dann herausstellte das es in dem Land keine Bankomaten gab und er uns natürlich einen viel zu hohen Preis für die Evakuierung aus der Kyzylkum Wüste verlangt hatte. Irgendwo da bemerkten wir, tatsächlich ein Stück Naivität zu besitzen über das wir doch froh sind. Langsam begann sie sich jedoch ein wenig abzutragen.
 
Wann auch immer es anfing, am Ende unserer Reise war ich geistig erschöpft. Ich erinnere mich wie ich mich in Bishkek in einem Hostel eingebunkert habe, weil ich einfach keine neuen Menschen mehr treffen wollte und keinem mehr die ganze Fahrradgeschichte in meinem Brockenrussisch erzählen wollte. Die ganze Erzählerei und das ständige Fragen der Leute auf der Strasse, die so liebenswürdig keinen persönlichen Raum kannten und so wunderbar distanzlos waren, haben mir den Boden unter den Füssen wacklig werden lassen. Ohne es zu wissen sehnte ich mich wohl nach ein bisschen Distanz.

Denn was ich eigentlich machen wollte war zeichnen, schreiben und an Projekten rumtüfteln. Aber dazu kam es in den letzten Wochen nicht mehr, das grosse Projekt war die Reise selbst. Hatte die harte Landschaft, die Hitze Zentralasiens unsere ganze Energie konsumiert? Ständig waren wir in komplizierte Gastangelegenheiten verwickelt, wurden von der Hitze niedergedrückt oder von fremden Darmökologien überfallen. Es schien als bliebe nur noch der Fotoapparat an dem ich mich festhalten konnte um den Nukleus von gestalterischem Momentum zu erzeugen, den ich so sehr in meinem Alltag wollte.

Wie zum Teufel waren wir dahin geraten in diesen toten Winkel wo man nicht mehr um der Reise willen einfach reisen kann? Wo war dieses Gefühl der Zeitlosigkeit hingeraten, in dem wir uns so leichtfüssig bewegt hatten, in dem ein Ereignis das Andere ablöste und wir uns wie auf einer einzigen, endlos langen, ununterbrochenen Strasse fortbewegten? Ich war enttäuscht, wollte mehr von diesem rauschenden Weiterziehen. Aber war es nicht letztlich unausweichlich in diesem Nirgendwo anzukommen? Wir sind einfach losgezogen, mit dem Velo im Zickzack in den Kontinent hinein. Irgendwo, an einem immer noch unbestimmten Ort musste das Reisen unweigerlich der Zusammenarbeit weichen, die wir mit unserem Losziehen antizipieren wollten. Die Ankunft im Nirgendwo hat uns wie der Ausbruch eines Fiebers mit heimtückischer Inkubationszeit überrascht.

Heute schaue ich mir die Heuhaufenbilder an, die wir über die Reisemonate hinweg zusammengetragen haben. Vom Strassenrand aus sind sie uns zur Metapher unserer Zusammenarbeit gewachsen. Eines der Bilder mag ich besonders. Es zeigt einen kurvigen Strassenabschnitt von dessen Rand aus ein Hang mit ein paar Bäumen und Sträuchern in ein abgeerntetes Feld hoch steigt. In einem der noch jungen, schlanken Bäume sitzt auf halber Höhe ein ziemlich grosses Bündel Maisstengel. Der Baum wird zu einem guten Drittel fast geschluckt. Etwas seltsam überragt es die Strasse, als wäre es das Nest eines unheimlichen Tieres oder eine Art von territorialer Markierung.

Ich denke an den Unbestimmten Ort unseres Reiseendes, doch das Bündel im Baum markiert den nicht. Trotzdem erscheint mir der Baum mit seinem Nest von der Strasse aus als Wegmarke, als Aussenposten, als zeige er etwas an. Die vielen anderen Heu-, Stroh- und Halmhaufen sind alle anders. Gemeinsam haben sie lediglich, dass sie für eine Zeit eine kurzlebige Gestalt aus zusammengetragenen Halmen annehmen. Ich denke an die vielen Möglichkeiten gemeinsam eine Form zu finden. Die meisten Haufen sind wohl Gemeinschaftswerke, die Maisstengel am Baum lassen sich bestimmt nicht mit nur zwei Händen zusammenknüpfen.

Mit ein bisschen Distanz ist meine Enttäuschung über den Abbruch der Reise zwar nicht kleiner geworden. Romantiker würden sich immer gerne mit den Wolken der Strasse entlang weiterziehen sehen.
Dennoch ist viel gewonnen.

-Daniel

News from Nowhere

The beginning of the end began on the day that Erin’s rear hub ground up its own ball-bearings into metallic dust in the middle of the Kazakh steppe. Shortly before we’d been coasting happily in a herd of trotting camels. I’d imagined that this must be what it’s like to swim with dolphins.

Maybe it began with the selfie of an idiot in Seki, in the Caucasus, who climbed so oafishly on Erin’s bike that he promptly kinked a spoke and set the whole hub issue, delayed until after the crossing of the Caspian Sea, into motion.

Or did it start with the Uzbek taxi driver who wanted to take our crippled bicycles as hostages because we didn’t have enough money to simply pay him? At which point it turned out there were no ATM’s in the whole country and he’d naturally charged us far too much for the evacuation out of the Kyzylkum desert. Somewhere there we remarked on our own apparent naivety, for which we're appreciative enough. None-the-less, it was beginning to wane.

Whenever it began, at the end of our trip, I was mentally exhausted. I remember how I bunkered myself into a hostel in Bishkek because I simply didn’t want to meet any more new people or tell anyone the whole bike story with my few scraps of Russian. All the telling, and the constant asking of the people on the street, who were so wonderfully without the slightest need for distance, and who very amiably didn’t seem to give a second thought to personal space, began to make the ground unsteady beneath my feet. Without realizing it I was likely beginning to crave a little distance myself.

What I actually wanted to do was draw, write and putter around on projects. But I hadn’t gotten around to it in the past weeks. The big project was the trip itself. Had the hard landscape, the heat of Central Asia, consumed all our energy? We were constantly wrapped up in complicated affairs of the hospitable sort, were weighed down by the heat or assailed by foreign intestinal ecologies. Only my camera seemed to remain as something to cling to, to produce the nucleus of artistic momentum which I so badly wanted back in my everyday.

How the hell had we landed in this dead corner, where we couldn’t keep travelling just for the sake of the trip? Where was that feeling of timelessness in which we had moved so nimbly, in which one event slipped into the next and we moved forward as though propelled along a single, endlessly long, uninterrupted road; where had it disappeared to? I was disappointed, wanted more of that intoxicating pull forwards. But then, hadn’t reaching this nowhere been unavoidable? We’d simply set off, by bicycle, in a zig-zag into the continent. Somewhere, at a point even now undetermined, our trip couldn't escape yielding to the collaboration we’d tried to anticipate with our departure. Our arrival in nowhere dumbfounded us like a fever with a treacherous incubation period.

Today I’m looking at the haystack photographs we collected during our months of travel. They’ve grown from the wayside into a metaphor for our collaboration. I especially like one of the pictures. It shows an extract of a winding street from the border of which rises a slope with a few trees and bushes in a harvested field. Bound half-way up one of the young, slim trees is a fairly large bundle of corn stalks. A good third of the tree is swallowed up by it. It juts out somewhat oddly over the street, as though it were an eerie animal’s nest or some kind of territorial mark.

I think of the undetermined location of the end of our trip; the bundle in the tree isn’t it. None-the-less, the tree with its nest seems to me from below like a sign, an outpost; as though it would indicate something. The many other hay- and straw- and grass-blade-stacks are all different. What they have in common is that for a time they grant an ephemeral shape to a pile of collected grasses. I think of the many possible ways to find a form together. Most of the haystacks are likely communal works; the corn stalks in the tree certainly couldn’t have been bound by only two hands.

With a little distance, my disappointment about ending the trip isn’t really diminished. Romantics would always like to see themselves drifting with the clouds along down the road. But a lot has been gained.

-Translated by Erin